Jaguar XK 120 Hansgen Special – Symbolcharakter
- Ramon Egger
- 19. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Walt Hansgen wurde 1919 geboren – seine Leidenschaft für den Motorsport entdeckte er aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Tagsüber arbeitete er in der Karosseriespenglerei seines Vaters in Westfield, New Jersey, an Kundenfahrzeugen, nachts an seinen eigenen Projekten. Sein Renndebüt gab er mit einem MG TD, doch schnell wurde ihm klar: Wenn er gewinnen wollte, brauchte er mehr.
So sass er im Sommer 1951 im Büro von Jaguar-Importeur Max Hoffmann an der New Yorker Park Avenue. Hansgen wollte einen C-Type – der neue Rennwagen hatte soeben Le Mans gewonnen und der Ruf des Erfolgs schallte auch über den Atlantik. Aber Hofmann konnte keinen beschaffen. Dessen Produktion war limitiert und alle Exemplare, die für die US-Ostküste bestimmt waren, waren bereits verkauft.
Dann halt ein Eigenbau
Also baute er sich seinen eigenen Rennwagen. Mindestens so gut, wie der von Jaguar sollte er sein – und angepasst auf die Rennstrecken der USA. Als Teilespender musste sein noch nicht einmal zweijähriger XK 120 dienen, der auch bei Jaguar die Grundlage für den C-Type bildete. Hansgen entwarf einen komplett neuen, verwindungssteifen Gitterrohrrahmen, eine aufwändige Struktur aus hochfesten Chrom-Molybdän-Rohren. Am Ende soll der XK 120 Hansgen Special rund 50 Kilogramm leichter gewesen sein als ein Jaguar C-Type.
Die Fahrwerkskomponenten stammten zu einem grossen Teil aus dem XK 120, nur die Lenkung kam aus dem MG TD. Das Armaturenbrett, die Elektrik und den Antrieb entnahm Hansgen ebenfalls dem XK120. Den Reihensechszylinder mit 3.4 Litern Hubraum hatte Jaguar wenige Jahre zuvor komplett neu entwickelt, Hansgen zerlegte ihn komplett, baute ihn neu auf, mit neuen Nockenwellen, neuer Zündanlage und neuen SU-Vergasern.
Den ersten Renneinsatz hatte der XK 120 Hansgen Special dann nach 14 Monaten Arbeit am 23. Mai 1953 in Cumberland, Maryland. Walt Hansgen gewann das Rennen und der Sieg trug massgeblich dazu bei, seinen Ruf als talentierten Rennfahrer und genialen Konstrukteur zu festigen. Den grossen Triumphaber feierte Walt Hansgen im letzten Einsatz der Saison 1953 mit einem Sieg im Rennen von Watkins Glen – auf dem anspruchsvollen Strassenkurs zeigte sich das volle Potenzial von Auto und Fahrer.
Nach über 65 Jahren in die Schweiz
In der nächsten Saison gingen Fahrer und Auto getrennte Wege. Der Sieg hatte Briggs Cunningham überzeugt, Walt Hansgen in sein Rennteam aufzunehmen. Dieser verkaufte den «Special» an seinen Rennfahrerkollegen Paul Timmins und kaufte sich dafür einen richtigen C-Type. Mit diesem trat er in der Folge sogar gegen «seinen» Jaguar an – siegreich.
Nachdem Paul Timmins 1955 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte, ging das Auto an George Stern aus Pennsylvania. Dieser liess den Rennwagen für den Gebrauch auf öffentlichen Strassen zu und nutzte ihn für gelegentliche Ausfahrten an schönen Wochenenden. 1966 übernahm J. D. Inglehart aus Connecticut, das Auto, lackierte es blau, stellte es im Museum von Watkins Glen aus und nutzte es gelegentlich für Bergrennen. So wurde 1979 Bob Millstein darauf aufmerksam und macht Inglehart direkt ein Kaufangebot. Allerdings dauerte es noch vier Jahre, bis Inglehart sich zum Verkauf durchringen konnte. Millstein restaurierte den Hansgen Special umfassend, fuhr über 150 Rennen und verkaufte ihn rund 20 Jahre später an Terry Larsson.
2020 dann hatte Dr. Christian Jenny aus Thalwil die Möglichkeit, den Hansgen Special zu erwerben und liess ihn von Brazzell Engineering auf den Originalzustand von 1953 zurückversetzen. Das Auto erhielt den Segen der FIA und die Zulassung als Veteranenfahrzeug für den Schweizer Strassenverkehr.
Ein Auto mit Symbolcharakter
Der Jaguar XK 120 Hansgen Special ist ein einmaliges Fahrzeug – und ein Sinnbild für eine tiefgreifende Veränderung im amerikanischen Motorsport. In den 1940er-Jahren dominierten in den USA noch schwere Fahrzeuge mit simplen Leiterrahmen und grossvolumigen V8-Motoren. Was zählte, war in erster Linie: Ausdauer und rohe Kraft. Doch mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der Rückkehr vieler junger Amerikaner aus Europa und der Immigration europäischer Ingenieure, änderte sich das Bild. Europäische Sportwagen, insbesondere aus Grossbritannien, Italien und Deutschland, stiessen eine Veränderung an: Leichtbau, ausgefeilte Technik und präzises Handling gewannen an Bedeutung.
Gleichzeitig professionalisierte sich der Motorsport, die FIA wurde gegründet. In den USA wurde der Sports Car Club of America (SCCA) zur Bühne für den Rennsport nach europäischem Vorbild und für einen neuen Typus von Rennfahrern: technikaffin waren sie, meist Autodidakten, die an ihren Autos tüftelten, ausprobierten und verbesserten. Als Kombination von europäischer Technik und amerikanischem Innovationsgeist steht der Hansgen Special exemplarisch für ebendiese Übergangszeit.
Text: Ramon Egger – Bilder: Kim Hüppin
🔐 Dies ist eine gekürzte Version des Artikels aus AutoZeit 4/2025. Die ausführliche Geschichte gibt es im Print-Magazin oder mit einem Abonnement unter autozeit.ch/e-paper.
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