Mercedes-Benz S-Klasse (W140 / V140) – Die ganz grosse Klasse
- Ramon Egger
- 17. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Juli

Die S-Klasse ist schon seit jeher das Aushängeschild von Mercedes und ein Technologieträger: Der W116 brachte 1972 als erster Serienwagen das ABS, der W126 führte 1981 den Airbag ein. Die Entwicklung gipfelte Anfang der 1990er-Jahre im W140: Fahrkomfort, Akustik, Sicherheit und die Vernetzung der Steuergeräte setzten Massstäbe. Aber er war auch einer der letzten Mercedes, die nicht nach Marktforschung gebaut wurde, sondern nach dem Willen der Techniker. Nach typisch deutscher Ingenieurskunst – oder eben: «Over-Engineering».
Die Entwicklung des W140 begann bereits 1981, der Produktionsstart war für 1989 vorgesehen gewesen. Drei Milliarden D-Mark an Entwicklungskosten waren veranschlagt gewesen (heute: rund 3.3 Milliarden Franken). Am Ende wurde es viel später – und viel teuerer. Im Jahr 1987 stellte BMW den neuen 750i vor, zwei Jahre später brachte Lexus den LS400. Beide Modelle legten die Messlatte bei Antrieb und Ausstattungsqualität noch einmal deutlich höher, so dass bei der – eigentlich bereits fast fertig entwickelten – S-Klasse noch einmal nachgebessert wurde.
Mit BMW gleichgezogen
Der 600 SEL (Baureihenbezeichnung V140) war die Krönung der S-Klasse. Der 6.0-Liter-V12 des 600 SEL stellte als erster Zwölfzylinder von Mercedes in der Nachkriegszeit klar, wer den Anspruch auf die Automobile Spitze erhob. Dem Leergewicht von 2.2 Tonnen standen die 408 PS Leistung und 580 Nm Drehmoment des M120-Motors gegenüber. Nachdem man beim Vorgänger auf die Einführung des Zwölfzylinders verzichtet hatte, zog man beim W140 mit BMW gleich, die mit dem 750i ebenfalls zum ersten Mal seit dem Krieg wieder auf einen V12 setzten.
Es kam ein Motorblock aus Aluminium zum Einsatz, einlassseitig gab es eine Nockenwellenverstellung, ausserdem eine zylinderselektive Klopfregelung, die für jeden Zylinder einzeln den optimalen Zündzeitpunkt berechnete. AMG entwickelte das Aggregat dann noch weiter und erhöhte den Hubraum auf bis zu 7.3 Liter. So kam er unter anderem im CLK-GTR, im SL70 und SL73 (Baureihe R129) und später auch im Pagani Zonda zum Einsatz.
Die Einführung von CAN-Bus
Mit dem W140 führte Mercedes auch eine Reihe neuer Technologien ein. So setzte die S-Klasse als erstes Modell den von Bosch entwickelten CAN-Bus für die Kommunikation der Steuergeräte untereinander ein. Der CAN-Bus wurde wenige Jahr später zum Standard in der Automobilindustrie – möglicherweise sogar zum wichtigsten Standard der neueren Automobilgeschichte, der erst mit der Digitalisierung und Elektrifizierung der Autos langsam abgelöst wird.
Zwei verchromte Antennen am Heck dienten als Vorläufer der Parksensoren, der Airbag gehörte früh zur Serienausstattung, ebenso das ABS. Ausserdem war die S-Klasse jenes Modell, mit dem Mercedes 1996 das ESP einführte. Die Sitzverstellung war sowieso elektrisch, es gab Sitzmemory und optional auch elektrisch verstellbare Rücksitze und eine 4-Zonen-Klimaanlage. Und dann war da noch die Krönung des deutschen Over-Engineerings: der elektrisch verstellbare Innenspiegel. Kein Mensch hatte danach gefragt, keinem Fahrer hat er einen Vorteil gebracht. Nur Ärger, weil die uneingeweihten Kunden beim manuellen Hantieren die filigranen Zahnrädchen zerstörten.
Madonna bis Yakuza
Mit seiner Länge von 5.11 Metern war bereits die «normale» S-Klasse nicht gerade kompakt und der SEL mass noch einmal 10 cm mehr. Nicht grundlos war die S-Klasse das bevorzugte Fahrzeug von Promis und Politikern. Der damalige russische Präsident Boris Jelzin fuhr einen W140, ebenso Madonna, Tina Turner und der US-Rapper 2Pac. Kein Wunder, dass der Status der S-Klasse mit dem W140 rasch auch auf zweifelhaftere Milieus überschwappte: Der W140 soll in den 1990er-Jahren auch das bevorzugte Fahrzeug der japanischen Mafia gewesen sein.
Ach ja: eigentlich hatte Mercedes noch einen 800 SEL geplant gehabt – mit einem 8-Liter-V16. Auf dessen Einführung verzichtete man dann aber wohlweisslich.
Text: Ramon Egger – Bilder: Mercedes-Benz.
🔐 Dies ist eine kondensierte Version des Artikels aus AutoZeit 4/2025. Die ausführliche Geschichte des Mercedes-Benz W140/V140, inklusive technischer Daten und Konkurrenz-Vergleich gibt es im Print-Magazin oder mit einem Abonnement unter autozeit.ch/e-paper.















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