Harley Jarvis Earl – Der erste Designer
- Ramon Egger
- 25. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen

Harley Jarvis Earl war weder Ingenieur noch Verkäufer. Und trotzdem dürften nur wenige das amerikanische Automobil des 20. Jahrhunderts so geprägt haben wie er. Als erster Chefdesigner bei General Motors machte er das Auto vom reinen Transportmittel zum Objekt der Begierde.
Geboren 1893 in Los Angeles, stieg Harley Earl zunächst in das Karosseriegeschäft seines Vaters ein, das vor allem luxuriöse Aufbauten für Filmstars lieferte. Sein Talent für Formen und Proportionen blieb nicht lange unentdeckt: 1927 holte ihn der damalige Cadillac-Präsident Lawrence Fisher nach Detroit, wo er den LaSalle entwarf. Zum ersten Mal war ein amerikanisches Serienfahrzeug nicht nach technischen, sondern nach ästhetischen Grundsätzen entworfen worden. General Motors erkannte das Potenzial – der Schönheit und von Harley Earl. Aus dem Projekt wurde eine Abteilung, Earl zum Leiter der «Art & Colors Section». Er war damit der erste Designchef eines grossen Automobilkonzerns weltweit. Gross soll der Widerstand innerhalb der Teppichetage von General Motors gewesen sein, wo viele den Wert eines Automobils noch in dessen technischer Basis und nicht in dessen Ästhetik sahen.
Vice President von General Motors
Einer der wichtigsten Beiträge von Earl – vielleicht der wichtigste überhaupt – war aber die Einführung des «clay modeling», der Tonmodelle, als zentrales Instrument im Designprozess. Neu war die Idee nicht, Harley Earl hatte sie bei den Architekten abgeschaut und aus Kalifornien nach Detroit mitgebracht. Anstatt nur mit Skizzen, Holz und Metall zu arbeiten, liess Earl seine Designer die Autos in Originalgrösse aus Ton fertigen. Liess sie experimentieren.
Harley Earl soll es auch gewesen sein, der, zusammen mit dem damaligen GM-Präsidenten Alfred P. Sloan, das Konzept der jährlichen Modellanpassungen ins Leben gerufen hatte, die sich in der amerikanischen Automobilindustrie rasch verbreitete. Nach seiner Berufung als Nummer 2 im Konzern hinter Sloan im Jahr 1937, führte er diese frühe Form der «geplanten Obsoleszenz» ein. Die beiden sahen in den regelmässigen, sanften optischen Anpassungen eine passable Methode, um die Nachfrage nach neuen Autos hoch zu halten.
1938 schuf Earl den Buick Y-Job, der heute als erstes Concept Car der Automobilindustrie gilt – ein Fahrzeug, das nicht für die Serienproduktion vorgesehen war, sondern als Inspiration und Innovationsträger dienen sollte. Er legte mit dem Y-Job den Grundstein für das Design der Nachkriegszeit.
Richtungsweisend: Der Buick Le Sabre
Nach seiner Berufung in die Führungsriege von GM war Earl nur noch punktuell als Designer tätig, schuf aber 1951 dann sein vermutlich persönlichstes Werk: den Buick Le Sabre. Die Studie umfasste alles, was seine Designphilosophie ausmachte. Die von Flugzeugen inspirierten Heckflossen wurden zum unverwechselbaren Stilelement für amerikanische Fahrzeuge der 1950er-Jahre – ganz neu waren sie allerdings nicht, und erfunden hatte sie auch nicht Harley Earl, auch wenn sie nicht selten diesem zugeschrieben werden. Sie gehen zurück auf Frank Hershey, damals Chefdesigner bei Cadillac. Bereits 1948 hatte er die, vom Doppelleitwerk der Lockheed P-38 inspirierten, «Tailfins» entworfen.
Auch die geschwungene Windschutzscheibe war einem Flugzeugcockpit nachempfunden und wurde anschliessend konzernweit eingeführt. Der runde, mittige Lufteinlass war zu mutig für die Serienproduktion, ansatzweise fand er sich als Stilelement in den Fahrzeugen wieder. Unter dem Decknamen «Project Opel» entwarf Earl in den frühen 1950er-Jahren zusammen mit seinem Team ein Auto, das den europäischen Sportwagen nachempfunden war. 1953 kam dieses dann auf die Strasse – als Chevrolet Corvette.
1958 ging Earl in Rente und mit ihm auch die ausladenden Formen und die grossen Heckflossen. Es übernahm Bill Mitchell, der die Rundungen schrittweise zu einfacheren Flächen mit klaren Kanten weiterentwickelte. Harley Jarvis Earl verstarb im Jahr 1969 im Alter von 75 Jahren, 1986 wurde er in die «Automotive Hall of Fame» aufgenommen.
Text: Ramon Egger – Bilder: General Motors
🔐 Dies ist eine gekürzte Version des Artikels aus AUTOZEIT 4/2025. Mehr zu Harvey J. Earl, seinen wichtigsten Projekten und seinem Einfluss auf die Automobilindustrie gibt es in der gedruckten Ausgabe. Diese kann hier bestellt werden.















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