Chinesische Marken – Eine Einordnung
- Ramon Egger
- 1. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20Std.

Kann man «die Chinesen» – also: die chinesischen Marken – einfach so über einen Kamm scheren? Nicht wirklich – getan wird es trotzdem oft. Wir versuchen einzuordnen.
BYD: Grosser Auftritt
BYD ist in der Schweiz gestartet, erst mit den Mittelklasse-Modellen Seal, Seal U und Sealion 7, inzwischen auch mit den günstigeren Modellen Atto 2 und Dolphin Surf. Später soll – möglicherweise – auch noch die Oberklassemarke Denza folgen. Eigentlich hätte BYD ja spannende Modelle im Angebot, wie das Supercar Yangwang U9, in Europa gibt es aber vorerst bloss die Langweiler. Mit dem Seal konnte man sich 2024 immerhin unter den sieben Finalisten für Car of the Year platzieren – ein Achtungserfolg. Mit dem Dolphin Surf gibt es einen preislich attraktiven, elektrischen Kleinwagen, der knapp über der magischen Grenze von 20’000 Franken liegt. Wir konnten das Auto bereits kurz testen: er fährt und fühlt sich genau so an, wie man es von einem Sub-20’000-Franken-Auto erwartet. Und hat bloss eine 30-kWh-Batterie und 200 Kilometer Reichweite. Man muss fairerweise sagen: Aktuell hat von den Europäern nur Stellantis etwas Vergleichbares im Angebot und die fühlen sich auch nicht nach mehr an.
Schwierig bei BYD sind nicht die Produkte. Es ist die Strategie. Die Lancierung erfolgte mit sehr viel Brimborium, der Verkauf erfolgt an der Zürcher Bahnhofstrasse in einem «City Store». Ob das der richtige Standort ist, um einen günstigen Kleinwagen an den Mann und die Frau zu bringen, darf man bezweifeln. Und Boutique statt Händlernetz hat noch bei keiner Marke funktioniert. Der mehrfach verschobene Marktstart, an- und wieder aufgekündigte Zusammenarbeiten mit Schweizer Importeuren haben das Vertrauen in die Marke auch nicht gerade gefördert. Und wenn eine chinesische Marke in der Schweiz Fuss fassen will, dann braucht es eben in erster Linie: Vertrauen. Natürlich, BYD ist kein Neuling mehr, betont immer stolz, man sei weltweit grösster Hersteller von «New Energy Vehicles», also Stromer und Plug-in-Hybriden. In der Schweiz hat man seit Anfang Jahr gerade einmal 180 Autos verkauft.
Gleichzeitig sind die Pläne gross: Ausbau des Portfolios auf 13 Modelle, bis Ende Jahr ganze 15 Verkaufspunkte in der Schweiz. Über die etwas eigene Beziehung der Chinesen zu gesetzten Zielen haben wir bereits hier geschrieben – man glaubt erst, was man sieht. So sind auch die Produktionszahlen mit Vorsicht zu geniessen, nicht nur aus China hört man Geschichten von massiver Überproduktion, um die Zulassungszahlen künstlich zu erhöhen, von massiven Qualitätsproblemen und von verramschten Autos. Wenn gleichzeitig kein gesichertes After-Sales-Netz besteht, dann: hilft das nicht, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.
Leapmotor: Schwerpunkt After-Sales
Besser macht das Leapmotor. Der Neuling hat einen starken Partner in der Schweiz (und anderen europäischen Ländern), wird importiert von der Emil-Frey-Gruppe. So gibt es ein ausgebautes Händlernetz und vor allem: After-Sales. Die Ersatzteilversorgung geschieht über die Lager von Emil-Frey, als Back-up hat man das Stellantis-Zentrallager in Italien und erst wenn dort auch nichts mehr geht, kommt China zum Zug. Ausserdem setzt man stark auf attraktive Preise: Den kleinen Stromer T03 gibt es bereits ab 16'990 Franken. Bei Emil Frey ist man voll des Lobes für die Zusammenarbeit mit den Chinesen. Man habe dem Headquarter gesagt, es brauche einen Allrad für die Schweiz, also hätte man in China innerhalb von zwei Wochen entschieden einen zu bauen, heisst es von Patrick von Bachellé, Markenchef von Leapmotor Schweiz. Auf der Auto Zürich im November feiert der C10 mit Allradantrieb dann bereits seine Weltpremiere.
MG: Bodenständig
Dass MG ziemlich vieles richtig macht, haben wir bereits hier geschrieben. Mit Astara hat man einen starken Importeur, ein starkes Händlernetz, gesicherten After-Sales und vor allem hat man: einen bodenständigen Auftritt. Der Kontrast zu BYD könnte nicht grösser sein. Als anekdotische Einordnung: Während BYD zum Start des Kompakt-SUV Atto 2 Heerscharen von Influencern, die weder Interesse noch Kompetenz haben, etwas anderes zu erzählen, als wofür sie bezahlt werden, in die Halle 622 in Zürich einlädt, ihnen Apéro Riche und Bespassung bietet, ihnen auf Grossleinwand die Geschichte einimpft, dass BYD eigenhändig die Erderwärmung umkehre und ihnen vorkaut, welche Hashtags sie zu verwenden haben, lässt MG für den Marktstart des Kompakt-SUV S5EV eine Handvoll Journalisten von Langenthal ins Entlebuch fahren zum Restaurant Schützen (oder so…) und wieder zurück. Bodenständig eben.
Das zeigt sich in den Verkaufszahlen: 1260 verkaufte Fahrzeug im ersten Halbjahr 2025, ein Marktanteil von gut 1.1 Prozent – mehr als gestandene Marken wie Honda oder Citroën. Und man hat eine grosse Bandbreite an Modellen, vom kleinen Hybrid MG3 bis zum 540 PS starken Cyberster, einem flügeltürigen Elektroroadster mit Allradantrieb. Von dem wurden seit Jahresbeginn immerhin schon über 60 Stück verkauft – ein Anteil von fast fünf Prozent an den Gesamtverkäufen.
Zeekr: Schon bald
Mit Zeekr kommt bald eine weitere Chinesenmarke in die Schweiz, ebenfalls importiert von Emil-Frey. Es ist davon auszugehen, dass auch da Händlernetz, After-Sales und Ersatzteilversorgung geregelt sind. Die richtig scharfen Dinger gibt es bei uns vorerst auch nicht, man wird wohl mit dem Mittelklasse-SUV 7X starten. Den konnten wir bereits fahren. Optik, Fahrverhalten, Verarbeitung ist alles: guter Durchschnitt. Aber Zeekr kann vor allem: laden. Beim 7X sind es im Alltag 13 Minuten von 10 auf 80 Prozent, unter Idealbedingungen 11 Minuten und im Labortest: 9 Minuten und 45 Sekunden. Da wird E-Mobilität dann plötzlich spannend. «Golden Battery» nennt Geely die Batterie, die das schafft.
Nur bei den Assistenzsystemen hat man noch etwas den Hang zum «over-promise»: Die Autos seien in China in der Lage, komplett autonom durch Parkhäuser zu navigieren, Parkplätze und Ladestationen zu finden, Menschen und Autos auszuweichen. Im Praxistest zeigte sich beim 7X: Auf der Autobahn funktionieren die Assistenten einwandfrei, auch Spurwechsel kann der 7X. Der simple Parkassistent war aber bereits mit dem simplen, rechtwinkligen rückwärts Einparken überfordert, benötigte fünf Anläufe, um am Ende dann immer noch schief im Parkplatz zu stehen.
Geely: Schon längst da
Aber sowieso: Die Schweizer kaufen längst Chinesen. Dazu zählt einmal so ziemlich vieles, was zum Geely-Konzern gehört (wie Zeekr übrigens auch): Polestar beispielsweise oder Volvo oder Smart oder Lotus. So kommt der Geely-Konzern in der Schweiz auf über 11’000 verkaufte Fahrzeuge im letzen Jahr und einen Marktanteil von 4.7 Prozent – liegt also nicht sehr weit hinter Toyota/Lexus mit 14’403 Fahrzeugen und deutlich vor Herstellern wie Ford mit rund 7300 Fahrzeugen oder Honda mit 3100 Fahrzeugen. Und dann sind noch die westlichen Marken, die in China produzieren, beispielsweise Tesla den Model 3, der aus Shanghai importiert wird. Oder Cupra den Tavascan, der im neuen Werk in Chengdu gebaut wird.
Schweizer kaufen also sehr wohl Chinesen. Solange sie nicht wissen, dass es Chinesen sind.
👉 Zum Polestar 3 haben wir hier etwas geschrieben, zum Volvo ES90 hier und zum Smart #5 gibt es hier einige kurze Videos.
Text: Ramon Egger – Bilder: BYD/Leapmotor/MG/Zeekr/Kim Hüppin
✨ Da wir auch noch in der Jury von «The Car of the Year» sind, sind wir angehalten, die jeweiligen Kandidaten auf der Longlist für 2026 zu nennen. Es wären in diesem Beitrag: BYD Atto 2, Dolphin Surf, Sealion 7, Leapmotor C10, MG S5EV, Smart #5, Volvo ES90 und Zeakr 7X. Also eigentlich all, da eh jedes neue Modell auf die COTY-Longlist kommt.
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